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Clowns und Charaktere oder Kriminelle und Weichspüler

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Ein Editorial von mafpd-Herausgeber Wolfgang Rogalski

[Magazin.Am-Finanzplatz.de, 13.03.2013] Bis zu einem gewissen Grad sei er „entsetzt“, dass zwei „Clowns“ gewonnen hätten, so SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zum jüngsten Wahlausgang in Italien. Endlich haben wir in unserem Land der geklonten, gleichförmigen Lobbyvertreter mal wieder einen Kandidaten, der Tacheles redet, könnte man meinen. War es wirklich ein Tritt in den Fettnapf, Silvio Berlusconi als „Clown“ zu bezeichnen, diskreditiert man sich mit einem solchen Vergleich wirklich als Kanzlerkandidat?
Ich würde Steinbrück eher noch Zaghaftigkeit vorwerfen, denn Berlusconi ist mit Sicherheit kein Clown, sondern ein gerade eben zu einer Haftstrafe von einem Jahr Verurteilter – mit einer mehr als fragwürdigen Persönlichkeitsstruktur ohne demokratisches Rechtsverständnis. Als „Clowns“ könnte man vielleicht dessen italienische Wähler bezeichnen, die nicht nur ihre Stimme, sondern wohl auch ihren Verstand abgegeben haben. Aber vielleicht war es auch eine Abgabe ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft – analog zu der beginnenden und offenbar gewollten Entwicklung in Deutschland. Scham und Entsetzen, aber auch die Sorge um die Zukunft des eigenen Landes wären eher angebracht als Belustigung über die vorerst letzte Wahl in Italien. Trotzdem: Steinbrücks harmlose Kritik an den Grenzen der Diplomatie, um zur Beschäftigung mit der Wahrheit zu provozieren, gebührt Respekt – „Chapeau, Herr Steinbrück!“
Um nicht missverstanden zu werden: Wer austeilt, muss auch einstecken können – und zumal in einer existenziellen Wirtschafts-, Währungs- und Systemkrise wird der Ton schon mal schärfer! Aber wer Herrn Steinbrück – mit Recht – kritisch ins Visier nimmt, muss auch aushalten, dass dieser ebenfalls verbal austeilt und aufzeigt, wo er eine dramatische politische Entwicklung erkennt. Sind wir denn in diesem Land schon alle so weichgespült und linientreu, dass wir kritische Anmerkungen im Wahlkampf als störend und unangebracht empfinden? Sehnen wir uns etwa wieder nach einer größenwahnsinnigen, unkritischen „Volksgemeinschaft“ oder debil grinsenden „Kandidaten der Nationalen Front“? Wollen wir eine sedierte BRD, die sich in einer monolitischen, planwirtschaftlichen EUdSSR allmählich auflöst? Gerade jetzt in einer globalen Krisenzeit, an der Schwelle einer gigantischen Katastrophe, sollte in Deutschland eine konstruktiv-kritische politische Kultur gelebt werden, die aus den Erfahrungen zweier Weltkriege und des Kalten Kriegs gelernt hat, die abseits von Sonntagsreden, hohlen Lippenbekenntnissen und Gutmenschenblabala selbstbewusst wie verantwortungsvoll den Prozess der europäischen Einigung mit dem Ziel einer nach Innen und Außen wirksamen Friedensordnung begleitet und mitgestaltet, dabei aber dem Subsidiaritätsprinzip und der Sozialen Marktwirtschaft endlich wieder Geltung verschafft!

Foto: Dirk Pinnow

Foto: Dirk Pinnow

Wolfgang Rogalski: Lieber den kleinen Clown am Rednerpult als den Großen Diktator!

Ich habe übrigens schon immer für Politiker ohne Nebeneinkünfte plädiert, empfinde jedoch aber diese „Diskussion“ um Herrn Steinbrücks Vortragshonorare als gesteuert und verlogen! Eine Unzahl von Politikern der anderen im Bundestag vertretenen Parteien stellen ihn mit ihren Einkünften und wirtschaftlichen Verflechtungen sicher bei Weitem in den Schatten – wenn schon, dann lasst uns alle mal ganz genau unter die Lupe nehmen! Oder verstößt ein Diskurs darüber gegen die „Systemrelevanz“? Selbstverständlich verdient indes ein Kanzler der Bundesrepublik Deutschland mit seiner Verantwortung für ein ganzes Land und seine Bürger im Vergleich zu den Zockerbanden in den Vorständen internationaler Großbanken viel zu wenig. Ich kenne Herrn Steinbrück zwar nicht persönlich, aber er hat für sich mit Sicherheit nicht ein Mehr an potenziellem Gehalt proklamiert, sondern er wollte vielmehr eine weitere – notwendige – Diskussion anstoßen. Die jetzige konsequente Wende der SPD hin zu einer gerechteren Gesellschaft stammt maßgeblich aus der Feder Steinbrücks. An dieser Stelle darf jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass man diesen Ansatz auch wesentlich konsequenter weiter denken darf und muss, will man wirklich eine nachhaltige, positive Entwicklung in unserem Land und in der Welt erreichen.
Joschka Fischer, Jürgen W. Möllemann, Franz Josef Strauß, Herbert Wehner, … –  wie sehr fehlen mir doch diese streitbaren, authentischen Geister der Vergangenheit, egal welcher Couleur man selbst auch anhängen mag. Endlich zeichnet sich nun mal wieder ein solcher Charakter am deutschen Polit-Horizont mit großen Verdiensten, Aussagen und Positionen in der Vergangenheit ab, aber wie zu erwarten war, wird er gleich von allen Lagern bekämpft. Herrn Steinbrück sei Folgendes gesagt: Clowns und Charaktere hätten in der Politik durchaus ihren berechtigten Platz, wenn sie uns auf Missstände, Probleme und Herausforderungen hinweisen. Hüten müssen wir uns vor harmlos scheinenden Kriminellen und servilen Weichspülern in deren Gefolge – lieber den kleinen Clown am Rednerpult als den Großen Diktator!
Meine ganz persönliche Vision für den Abend zur Bundestagswahl 2013 würde lauten: Eine absolute Mehrheit für Herrn Steinbrück – wir brauchen klare demokratische Verhältnisse, bevor uns ein Hauch von Weimar einhüllt, bevor eine Entwertung aller demokratischen Errungenschaften und eine Parodie unserer Grundwerte die Fraktion der Nichtwähler zum eigentlichen Wahlsieger macht! Damit ich richtig verstanden werde: Es geht um die Sache, um unsere Zukunft als res publica, und eben nicht um Gefälligkeitsnetzwerke und Pfründe für eine konkrete Partei! Als Wiederbegründer der altehrwürdigen Partei Albert Einsteins, der Deutschen Demokratischen Partei, bin ich gewiss kein Parteigänger der SPD, ich habe aber während meiner aktiven Zeit bei der heutigen ddp in Berlin stets den Fraktionszwang schärfstens kritisiert und die Kooperation gesucht. Auch als regulärer Bürger, der das aktuelle politische Geschehen kritisch betrachtet, sehe ich es als meine Pflicht an, meine Stimme zu erheben, und wünsche mir, dass all die Müden und Resignierten in diesem Land ihre Stimme wiederfinden und konstruktiv einsetzen…


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