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Parodie der Demokratie: Parteienherrschaft und der ungebremste Irrweg ins Verderben

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Ein Editorial von mafpd-Herausgeber Wolfgang Rogalski

[Magazin.Am-Finanzplatz.de, 03.06.2013] Die wohl resignierende Einschätzung „If voting changed anything, they’d make it illegal!“ der US-amerikanischen Anarchistin und Friedensaktivistin Emma Goldman, in der freien Übersetzung „Würden Wahlen etwas ändern, so wären sie verboten!“ auch Rosa Luxemburg oder Kurt Tucholsky zugeschrieben, kommt mir dieser Tage wieder in den Sinn, wenn im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 in den Straßen unserer Städte eifrige Aktivisten der sogenannten „Splitterparteien“ um Unterstützungsunterschriften betteln. Gelegentlich lasse ich mich erweichen – auch ohne hinter den Zielen der betreffenden politischen Organisation zu stehen. Ich tue es einerseits aus einer Art Mitgefühl – in Erinnerung an die strapaziöse Sammlung von Unterschriften zur Unterstützung der von mir wiedergegründeten deutschen demokratischen partei (ddp) für die Zulassung zur Berliner Abgeordnetenhauswahl 2011 – und andererseits als kleine hilflose Geste der Empörung über das ignorante und arrogante Auftreten der im Bundestag vertretenen Parteien.

Parteien als Booster der Wirtschafts-, Währungs- und Systemkrise?

Diese Frage beschäftigt mich hinsichtlich meiner Wahlentscheidung am 22. September 2013 sehr: Sind Parteien Teil der Lösung unserer brennenden Probleme – oder sind sie selbst Teil der Probleme?
„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, heißt es im ersten Abschnitt des Grundgesetzartikels 21. Mitwirkung ist doch wohl kein Freibrief für die Errichtung und vehemente Verteidigung von Pfründen und Gefälligkeitsnetzwerken! Mir scheint es, dass wir uns inzwischen in einer Art Feudalsystem mit pseudodemokratischem Anstrich befinden. Was hat das deutsche Wahlvolk überhaupt zu bestimmen? Bei dem Ausverkauf von Volksvermögen an Großkonzerne, bei der Vernichtung von Steuermilliarden in Großprojekten mit unsicherem Ende oder bei der endlosen Euro-Rettung nebst Verwässerung der ursprünglichen Stabilitätskriterien etc. ist es jedenfalls nicht gefragt – offensichtlich ist es gar nicht mehr „systemrelevant“. Jetzt warte ich eigentlich nur auf die übliche „alternativlose“ Gegenrede, wonach das Gehör für „Wutbürger“ mit ihren Stammtischparolen zu einer Totalverweigerung und damit zur Fortschrittshemmung führen würde… Ich finde solche Totschlagargumente aus der untersten Schublade einfach nur widerlich – und selbstentlarvend hinsichtlich des Demokratieverständnisses der Verbreiter! Es gibt sie nämlich noch, die engagierten Bürger, die sich konstruktiv in die Diskussion einbringen möchten und konkrete Vorschläge erarbeiten, aber von den Medien und der herrschenden Politik systematisch ignoriert bzw. marginalisiert werden.
Haben die im Bundestag vertretenen Parteien überhaupt Grund, sich auf das hohe Ross zu setzen? Wagen wir einen Blick auf die sogenannte „Sonntagsfrage“ zur Bundestagswahl (Stand per 26.05.2013), so kommen CDU/CSU auf durchschnittlich 40,3 Prozent, die SPD auf 26,5 Prozent, die Grünen auf 13,3 Prozent, die FDP auf 4,3 Prozent und DIE LINKE auf 6,7 Prozent – es droht also wieder eine „Große Koalition“ aus Union und SPD. Interessant wird es, wenn man noch die Wahlbeteiligung betrachtet – diese hatte nach Angaben des Bundeswahlleiters bei der letzten Bundestagswahl 2009 einen historischen Tiefstwert von nur noch 70,8 Prozent. Ich befürchte, dass dieser Wert 2013 noch deutlich unterschritten wird – aber nehmen wir ihn einfach mal als gegeben an und multiplizieren ihn mit den aktuellen Umfragewerten: Dann ergeben sich korrigierte Werte, die sich auf die Gesamtheit aller Wahlberechtigten beziehen – CDU/CSU lägen also bei rund 28,6 Prozent, die SPD bei 18,8 Prozent, die Grünen bei 9,4 Prozent, die FDP bei 3,1 Prozent und DIE LINKE bei nur noch 4,7 Prozent… Die Nichtwähler könnten quasi die größte „Fraktion“ stellen! Meine Frage: Wie können es die Vertreter dieser politischen Parteien überhaupt noch wagen, sich selbstherrlich über die existenziellen Interessen des Deutschen Volkes hinwegzusetzen und Klüngelpolitik zu betreiben?
Dies führt mich zu meiner Eingangsfrage zurück: Ja, ich befürchte mehr und mehr, dass die Parteien in Deutschland heute eher Teil, wenn nicht gar Verstärker unserer Probleme sind, als dass sie uns Auswege aufzeigen könnten! Zweimal haben im vergangenen Jahrhundert deutsche Parteien mit Allmachtsanspruch (ein Widerspruch in sich, denn eine Partei kann nur ein Teil eines größeren Zusammenhangs sein) Unglück gebracht – heute herrscht im Grunde ein politischer Block, der eben nicht Schaden vom Deutschen Volk abwendet, sondern besinnungs- und anstandslos, zuweilen gar wirr und irre, dieses wunderbare Land mit all seinen konstruktiven und nachhaltigen Potenzialen ins Verderben schlittern lässt…

Foto: Dirk Pinnow

Foto: Dirk Pinnow

Wolfgang Rogalski: Nichtwähler könnten die größte „Fraktion“ stellen!

Ehrlichkeit, Schweiß und Tränen statt Selbstbetrug!

Wie wäre es, wenn wir ausnahmsweise mal dem Grundgesetz auch in der Politik Geltung verschafften und die Parteien auf ihre Kernaufgabe zurückführten? Schluss mit Probeabstimmungen und Fraktionszwang, Anhäufung von Vermögenswerten und Beeinflussung der Medien! Idealerweise sollte es überhaupt keine Fraktionen mehr im Bundestag geben, sondern nur noch direkt gewählte Abgeordnete, die ihrem Gewissen und Wählern verpflichtet sind. Sonst müssten nämlich bei der Auswertung von Wahlergebnissen die Nichtwähler endlich Berücksichtigung finden – nach der Reform der Sitzverteilung vom 9. Mai 2013 könnte der Bundestag bald bis zu 700 Sitze haben; bei einer Wahlbeteiligung von nur 70 Prozent dürften also konsequenterweise nur 490 Sitze besetzt werden… Ich kann jetzt schon des Geheul der Pikierten hören, die uns weismachen im Alleinbesitz des wahren Demokratieverständnisses zu sein. Aber was wäre demokratischer, als das politische Meinungsbild der Wahlberechtigten auch möglichst einfach nachvollziehbar im Parlament erkennbar werden zu lassen – macht dem absurden Firlefanz der Überhangs- und Ausgleichsmandate ein Ende!
Und da wir schon dabei sind: Wie wäre es mit einer strikten Trennung der Gewalten, einem sonst gegenüber anderen Staaten immer so hochgelobten Prinzip und Kriterium für wahre Demokratie? Ich fordere, dass alle gewählten Regierungsmitglieder mit Bundestagsmandat diesem entsagen (bzw. dieses bei Aufnahme der Regierungsarbeit automatisch verlieren), denn die Bundesregierung gehört zur Exekutive – da ist es doch absurd, dass Regierungsmitglieder zugleich noch MdB sein können!
Ich werde nicht müde zu betonen, dass die Euro-Krise im Kern eine Systemkrise ist, denn in einer endlichen Welt kann es kein ewiges Wachstum geben und ein auf Zinseszins basierendes Schuldgeldsystem muss unweigerlich zum Systemcrash führen. Es ist höchste Zeit, sich vom Selbstbetrug zu befreien und Realismus walten zu lassen, so lange wir noch handlungsfähig sind. Zwar sind wir Deutschen gut geübt im Wiederaufbau, dennoch plädiere ich dafür, uns und der Welt ein weiteres 1945er-Erlebnis zu ersparen, sondern jetzt das Ruder herumzureißen, bevor das in den vergangenen Jahrzehnten in der Bundesrepublik Erreichte gänzlich entwertet wird. Lernen wir doch von 1989/90 – damals floss zum Glück kein Blut (und wer weiß, wie knapp wir davor standen), sondern es begann ein Aufbruch. Aufzubrechen heißt auch, sich zu ent-scheiden (!) und Überkommenes abzustreifen, aber eben ohne revolutionären Zerstörungswahn; ja, das heißt natürlich Anstrengung – Schweiß und Tränen werden fließen, aber das ist besser als Blut!

Weitere Informationen zum Thema:

Magazin.Am-Finanzplatz.de, 13.03.2013
Clowns und Charaktere oder Kriminelle und Weichspüler / Ein Editorial von mafpd-Herausgeber Wolfgang Rogalski


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